Telemann in Eisenach

»Bisher war mirs ergangen wie den Köchen, die eine Reihe Töpfe am Feuer stehen haben, aus deren etlichen sie nur etwas zu kosten geben. Nunmehr aber sollte ich völlig anrichten, das ist, mit allen meinen Instrumenten, mit Singen und mit der Feder zeigen, was ich gelernt hatte. Die Absicht war in Eisenach anfangs nur auf eine Instrumentalmusik gerichtet. Es erwuchs aber bald eine Kapelle, da ich denn befehligt wurde, benötigte Sänger zu verschreiben – die aber auch als Violinisten gebraucht werden könnten –, nach deren Ankunft ich denn zum Kapellmeister ernannt wurde. Und wie wäre es möglich, mich alles dessen zu erinnern, was ich zum Geigen und Blasen erfunden?« – Georg Philipp Telemann, Autobiographie 1740

Georg Philipp Telemann (24. März 1681, Magdeburg - 25. Juni 1767, Hamburg) wirkte von 1708 bis 1712 zunächst als Konzertmeister unter Pantaleon Hebestreit (bis 1709 Leiter der fürstlichen »Cammer-Music«), bald darauf als Hofkapellmeister und »Secretair« in Eisenach. Mit der Einrichtung einer Hofkapelle in der Residenz Johann Wilhelms von Sachsen-Eisenach (1669-1729, reg. ab 1698) betraut, gelang es ihm, einen mit elf besoldeten Musikern (1711) zwar kleinen, aber offenkundig äußerst ambitionierten Klangkörper zur Blüte zu bringen.

Zu Telemanns Eisenacher Dienstverpflichtungen gehörte die Komposition von Kantaten, Repräsentationsmusiken, Instrumental- und größeren geistlichen Gelegenheitswerken. Eine gattungsgeschichtliche Schlüsselstellung nimmt die Vertonung des ersten Kantatenjahrgangs »Geistliches Singen und Spielen« (1710/11), Text von Erdmann Neumeister, ein. Als Kapellmeister »von Hause aus« blieb Telemann bis zum Tod seines Dienstherrn dem Eisenacher Hof stets verbunden. In seine Eisenacher Zeit datiert die Bekanntschaft mit der Familie Bach, die Heirat mit Amalia Louise Juliana Eberlin, aber auch der Schicksalsschlag ihres frühen Todes nach der Geburt der ersten Tochter (1711).

Eisenach und die Wartburgregion sind in der einzigartigen Lage, sowohl eine Uraufführungsstätte geistlicher als auch weltlicher Werke Telemanns zu besitzen, die es heute noch bzw. wieder gestatten, den Klang des 18. Jahrhunderts zu entfalten: So zählen die Georgenkirche und Schloss Wilhelmsthal zu den Hauptspielstätten der Eisenacher Telemann-Tage.

Die Georgenkirche kann auf eine bedeutende musikalische Tradition verweisen: Neben den Angehörigen der Bachfamilie, die hier über 132 Jahre hinweg das Organistenamt bekleideten, waren eine ganze Reihe bedeutender Musiker, so unter anderem Johann Pachelbel oder Johann Melchior Molter, an der Kirche tätig. Zwischen 1710 und 1730 wurden hier mehrere Kantatenjahrgänge Telemanns uraufgeführt. Seit dem 25. Juni 2017, Telemanns 250. Todestag, erinnert eine Tafel im Eingangsbereich an sein wegweisendes Kantatenschaffen, das ihn zum bedeutendsten Komponisten protestantischer Kirchenmusik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts machte.

Der ovale, reich mit Stuckaturen ausgestattete, sogenannte Telemannsaal auf Schloss Wilhelmsthal gilt als der älteste freistehende Konzertsaal Europas. Bereits zur Entstehungszeit seiner hervorragenden Akustik wegen geschätzt, fanden hier zwischen 1716 und 1725 mehrere Huldigungsmusiken, die Telemann für den Eisenacher Hof komponiert hatte, ihre Uraufführung. Eine Serenade zum Geburtstag der Herzogin im Jahre 1725 besingt sogar die Anlage selbst, die von einem schlichten Jagdhaus zu einem Lustschloss aus zahlreichen Pavillons angewachsen war:

»In deinen Wäldern soll man mich schauen,
In deinen Auen will ich den steten Wohnplatz bauen,
Du angenehmes Wilhelmsthal,
Ich will ergetzen aller Herzen,
Die jetzt voll Freude lachen, scherzen
In deinem schönerbauten Saal.«

Neben den Gedenktafeln an Telemanns einstigen Wirkungsstätten erinnert heute ein von dem Eisenacher Steinmetz Andreas Schäfer geschaffener Obelisk am oberen Teil des Eisenacher Marktes – der 2012 in Georg-Philipp-Telemann-Platz umbenannt wurde – an den Schöpfer der »neuen Form der evangelischen Kirchenkantate«. Eine Tafel an der gegenüberliegenden Hauptpost weist zudem auf den Standort seines früheren Wohnhauses in der Unteren Predigergasse hin.